"Schritt für Schritt"

Biografie Eduard Merkle

 

Auszüge aus den Kapiteln "Federsee" und "Zaragoza"

 

F e d e r s e e

 

Wenn ich an Buchau, an meine Heimat denke, habe ich drei Dinge im Kopf: Den Friedhof in Kappel, die Stiftskirche in Buchau und vor allem natürlich den Federsee! Das ist für mich Buchau. Der Federsee kommt zuallererst und war in meiner Jugendzeit ganz elementar. Es war für mich der wichtigste Spielplatz, das war mein Revier! Dort hielten sich meine Schulfreunde, Kinder aus der Nachbarschaft und ich auf, wann immer es irgendwie ging. Im Sommer badeten wir im Federsee oder fuhren mit den Ruderbooten hinaus. Im Winter, wenn der Federsee mit einer dicken, sicheren Eisdecke zugefroren war, liefen wir Schlittschuh und spielten Eishockey.

 

Seit der Steinzeit haben Menschen immer wieder die Ufer des Federsees aufgesucht,

haben hier ihre Zelte, Hütten und später auch mit Palisaden befestigte Dörfer

errichtet. Jäger und Sammler, Fischer, Bauern – alle haben von der reichen

Tier- und Pflanzenwelt profitiert. Spuren ihres Lebens finden sich heute versunken

im Moor: Tausende von Bauhölzern, Reste von feinen Leinenstoffen, Einbäume,

Arbeitsgeräte und Schmuckstücke haben sich hier über Jahrtausende im

feuchten Boden erhalten.

(Federseemuseum Bad Buchau)

 

Mit den Ruderbooten verbunden waren allerdings auch zwei weitere, jährlich wiederkehrende Aktionen. Mein Vater war bereits vor dem Krieg Besitzer der Boote am Federsee und betrieb den Bootsverleih. Diesen führte er auch nach dem Krieg weiter. Den Winter über waren die Ruderboote in einem Schuppen von Schreinermeister Christ aufgestapelt. Die Schreinerei und dieser Schuppen befanden sich gegenüber des Bischof- Sproll-Hauses, von unserem Haus am Marktplatz ein beträchtliches Stück, bestimmt knapp einen Kilometer entfernt, und zwar in der dem Federsee entgegengesetzten Richtung! Herr Christ führte während des Winters die hin und wieder anfallenden Reparaturarbeiten an den Booten aus. Auch fertigte er als Ersatz für alte, desolate Ruderboote bei Bedarf neue für meinen Vater zum Einsatz im Federsee.

Im Frühjahr, meistens vor Ostern, mussten die Schiffe zum Federsee transportiert und zu Wasser gelassen werden. Diese aufwendige und schwere Arbeit fiel stets meinem Vater und mir zu. Für den Transport hatte mein Vater einen einachsigen Anhänger mit Gummirädern gebaut, auf den wir jeweils ein Schiff in Schräglage luden, eben so, dass man die Ladung ausbalancieren konnte. Dies war wegen der Breite der Schiffe erforderlich. [...]

 

Zu Beginn der Bootssaison machte mir diese Arbeit mehr Spaß als im Herbst, wenn die Schiffe zurückgebracht werden mussten. Im Frühjahr waren sie frisch gestrichen, ich freute mich auf die Sommerzeit und manchmal war auch das Wetter freundlich. Aber im Herbst: Das Wetter war oft kalt, regnerisch, neblig und windig, die Schiffe nach der Saison innen schmutzig und außen mit einer Schicht Algen belegt. Zunächst zogen wir jedes Schiff einzeln aus dem Wasser, an jener Stelle, an der wir es im Frühjahr eingesetzt hatten. Die Boote aus dem Wasser zu ziehen war Schwerstarbeit. Durch das vom Holz aufgesaugte Wasser wog ein Boot im Herbst viel mehr als im trockenen Zustand im Frühjahr. Die kleineren Boote mit zwei Rudern waren etwa 5 Meter lang, die größeren mit vier Rudern hatten eine Länge von ungefähr 7 Metern. Wir schrubbten mithilfe einer Wurzelbürste die Außen- und Innenseiten mit dem kalten Federseewasser. Das war jeden Herbst eine mehr als lästige, anstrengende Arbeit.

 

 

Z a r a g o z a

 

[Projektleiter der WEINGARTEN AG beim Großauftrag für die Montage von Karosseriepressen bei General Motors España, in Zaragoza, Spanien]

 

Mir war von Anfang an klar, dass ich zu den Menschen, mit denen ich vor Ort in Zaragoza zu tun hatte, ein gutes Verhältnis aufbauen musste. Wir hatten zwar von Deutschland aus bei Opel Rüsselsheim schon sehr wichtige Ansprechpartner, sie waren aber nicht die Chefs bei General Motors España (GME) in Zaragoza. Die Verwaltung von GME saß am Anfang noch im Zentrum von Zaragoza und wir waren draußen im Werk in Figueruelas (30 km nordöstlich), das sich gerade im Aufbau befand.

 

Zum besseren Kennenlernen und natürlich zum Knüpfen von Kontakten gab ich von unserer Firma aus ein Einstandsfest in einem Restaurant außerhalb von Zaragoza. Ich erkundigte mich im Vorfeld bei den Verantwortlichen von General Motors in Zaragoza nach einem guten Restaurant. Eingeladen waren die Mitarbeiter von GME Zaragoza und Opel Rüsselsheim, sowie einige Monteure von unserer Weingarten-Truppe, insgesamtungefähr 25 Personen. Wo wir genau waren und wie das Restaurant hieß, weiß ich nicht mehr. Was mir aber ewig in Erinnerung bleiben wird, ist das fünfgängige Menü. Als Aperitif ein Sherry fino, die einzelnen Speisenfolgen begleitet von hochkarätigen spanischen Weinen, als krönender Abschluss, als Digestif ein spanischer Brandy der höchsten Klasse. Die Tischdekoration bestand aus üppigem Blumenschmuck. Der Service war beispielhaft. Kurz und gut: Es blieb kein Wunsch offen. Ich war zufrieden und hellauf begeistert.

 

Doch die Feier kostete ein kleines Vermögen, ungefähr 50 bis 60 Mark – pro Kopf. 1981! In Spanien! Eigentlich waren es nur zu wenig Leute für die immense Summe. Diese Rechnung landete beim kaufmännischen Vorstand Rudolf Friedhofen in Weingarten zum Abzeichnen. „Also Herr Merkle, das kann doch nicht sein!?! So viel Geld!“ Zweimal musste ich da bei ihm antanzen. Als die Rechnung dann unterschrieben war, es zog sich ein paar Wochen hin, fiel mir ein großer Stein vom Herzen. Jedenfalls hatte es sich gelohnt: Solange ich unten war, hat jeder, wirklich jeder, der auf diesem Fest dabei war, von diesem Weingarten-Einstandsfest geschwärmt! Es war ein voller Erfolg!

 

Essen und Trinken war ein ganz wichtiges Thema in Spanien. Mit einigen Mitarbeitern von GME und Opel musste ich des Öfteren zum Abendessen gehen. Ich ließ sie das Lokal immer selbst aussuchen, denn sie kannten sich vor Ort aus, wussten, wo es gut und schön war. Ich ging immer gern mit ihnen zum Essen. Einzige Schwierigkeit und Umstellung für mich war: Treffpunkt war meistens abends um halb zehn, bis zehn wurde der Aperitif eingenommen, und dann erst begann das Abendessen. Oft saßen wir bis eins, zwei in der Nacht. Aber morgens war ich trotzdem immer der Erste, der wieder im Auto saß, unsere Monteure zusammensammelte und zum Arbeiten nach Figueruelas rausfuhr.

 

 

Blick über den Ebro auf die Kathedrale "Nuestra Señora del Pilar"

 

 

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